Auswertung der Februar-Umfrage

Nachfragen erwünscht.

Technische Redakteure freuen sich über aktiv mitarbeitende und nachfragende Übersetzer. Dies ist das Ergebnis meiner Umfrage zu den Erwartungen eines technischen Redakteurs an einen Übersetzer.
Außerdem legen Redakteure Wert darauf, dass Übersetzer Kenntnisse aus dem jeweiligen Produktthemengebiet aufweisen. Als selbstverständlich kann man den Einsatz von Translation-Memory-Systemen bewerten. Nur 10 % der Redakteuren schätzen den Einsatz von TMS als nicht wichtig ein.

Anlass der Umfrage
Anlass der Umfrage war die Einladung des ADÜ Nord (Assoziierte Dolmetscher und Übersetzer in Norddeutschland e. V.) zu dem Thema “Erwartungen eines technischen Redakteurs an einen Übersetzer” zu referieren. Ein Ausgangspunkt meiner Überlegungen bildete die Frage, in wie weit Redakteure sich wünschen, vom Übersetzer kontrolliert zu werden. Denn kaum jemand liest so gründlich eine Anleitung wie der Übersetzer. Ein weiterer Aspekt der Umfrage war, ob und wie technische Redakteure übersetzte Texte kontrollieren.
Vor diesem Hintergrund entwickelte ich eine Umfrage mit 10 Fragen. Über 75 technische Redakteure haben sich die Zeit genommen, die Fragen zu beantworten. Zwei Drittel der Befragten sind in der Industrie tätig und ein Drittel bei einem Dienstleister beschäftigt oder sind selbstständig. Insgesamt ist festzuhalten, dass fast alle Antworten nicht abhängig vom Tätigkeitsbereich des Redakteurs waren. Die Antworten von Dienstleistern und Angestellten der Industrie fielen fast immer gleich aus.

Nachfragen = Interesse = Positiv
So überraschend wie auch eindeutig ist die Antwort auf die Frage „Freuen Sie sich über Nachfragen vom Übersetzer?“ Nur ein Redakteur entschied sich für die Antwort „Nein. Nachfragen stören.“ Dagegen gaben 88 % an, dass sie Nachfragen als Indiz von Interesse bewerten. Rund 10 % der Redakteure stehen grundsätzlich positiv zu Nachfragen, aber möchten die Anzahl eingeschränkt wissen. Die Bedeutung der engen Zusammenarbeit zwischen dem Redakteur und dem Übersetzer unterstreicht die Anmerkung eines Kollegen: „Jeder einzelne Zweifelsfall muss geklärt werden, egal, ob er auf unklarem Quelltext oder mangelnder Sachkenntnis seitens des Übersetzers beruht. Ich schätze jedenfalls meine Übersetzer als meine besten Korrektoren.“
Nachfragen sind erwünscht.

Fachkenntnisse sind notwendig
Über 90 % der Befragten geben an, dass eine Übersetzung ausgewiesene Fachkenntnisse des Übersetzers voraussetzt. Referenzen in der technischen Dokumentation erwarten dagegen „nur“ 60 % der Redakteure. Die Mitgliedschaft in Fachorganisationen ist für die Befragten eher unwichtig. Verbandszugehörigkeit wird offenbar nicht mit Qualität oder Qualifikation des Übersetzers verbunden. Mehrheitliche Unterstützung findet dagegen die Behauptung, dass nur Muttersprachler gut übersetzen können.

Alleine oder Agentur
Kein klares Votum ergibt die Umfrage hinsichtlich der Frage, ob ausschießlich Übersetzungsagenturen oder auch einzelne Übersetzer beauftragt werden. Die Beantwortung dieser Frage hängt offenbar auch mit dem Tätigkeitsfeld zusammen. Redakteure der Industrie beauftragen zu gleichen Teilen eine Übersetzungsagentur und auch einzelne Übersetzer. Technische Redakteure, die selbstständig oder bei einem Dienstleister beschäftigt sind, votierten mit 80 % eindeutig für die Beauftragung von einzelnen Übersetzern. Bei der Bewertung dieser Frage ist zu berücksichtigen, dass wahrscheinlich einige Dienstleister für ihre Kunden die Aufgabe übernehmen, Übersetzungen zu koordinieren. In dem Sinne fungieren diese Dienstleister damit als Übersetzungsagentur für Redakteure der Industrie und beauftragen als Agentur dann einzelne Übersetzer.
Geben Sie Übersetzungen ausschließlich an Agenturen? Antworten sind abhängig vom Tätigkeitsfeld der Redakteure:

In der Diskussion der Umfrageergebnisse mit Übersetzern wiesen einige von ihnen darauf hin, dass sie Übersetzungsagenturen teilweise als hemmend für die Kommunikation zwischen sich (dem Übersetzer) und dem Redakteur erleben. Sie vermuteten, dass einige Agenturen ihre Rückfragen und Anmerkungen zum Ausgangstext nicht an den technischen Redakteur weiterleiten.

Übersetzungskontrolle
Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser. Nach diesem Motto verfahren fast alle Redakteure. Sie prüfen den übersetzten Text bzw. leiten diesen zur Kontrolle weiter. Gut 40 % prüfen die übersetzen Texte selber. Entweder kontrollieren sie den Text rein optisch oder an Hand von Stichproben auf Konsistenz. Weitere 40 % der Redakteure leiten die Übersetzung an die Niederlassung im entsprechenden Land oder an einen muttersprachigen Kollegen weiter.

Fazit
Wenn der Wunsch nach Nachfragen so deutlich ist, wie die Umfrage zeigt, sollten technische Redakteure diesen Wunsch an ihre Übersetzer wie auch an ihre Übersetzungsagentur klar kommunizieren.
In der Auftragsklärung am Anfang der Zusammenarbeit sollten der Redakteur und der Übersetzer die Spielregeln für ihre Kommunikation vereinbaren werden. In diesem Gespräch sollte auch erörtert werden, ob und in welcher Form der Redakteur Nachfragen oder auch Anmerkungen des Übersetzers erhalten möchte.
Vielleicht ergeben sich in der Diskussion der Erwartungshaltungen auch neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Eine Idee könnte sein, dass der Übersetzer vor Ort übersetzt, was die direkte Kommunikation unterstützen könnte. Ebenso könnte der Übersetzer zukünftig auch eine neue Rolle im Erstellungsprozess technischer Anleitung spielen. Der Übersetzer könnte in den Anwendungstest der Anleitung oder auch in dem Vergleich der Dokumentation mit dem Produkt einbezogen werden.

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