Sammelband beleuchtet nur eine Realität

Jedes Mitglied der tekom wurde Ende des letzten Jahres mit dem Sammelband „Content Management und Technische Kommunikation“ beglückt. Klasse Thema dachte ich mir und habe gleich reingeschaut. Um es vorwegzusagen, ich war enttäuscht. Interessante Beiträge sind zwar im Band, aber die Autoren und Autorinnen des Sammelbandes setzen sich vor allem mit Content-Management-Systemen auseinander. Der Aspekt, dass professionelles Contentmanagement auch ohne ein System möglich ist, steht nicht im Fokus.

Sammelband: Ohne CMS gibt es nicht

Schon mit seinem Einleitungssatz positioniert sich Herr Ziegler eindeutig: „Dokumentationserstellung ohne System? Das erscheint vielen in der heutigen Zeit nicht mehr ausreichend zu sein“ (S.11). Ein paar Sätze später räumt er ein, dass es vor allem um eine systematische Arbeitsweise geht. Dem stimme ich vollkommen zu. Auch ohne System ist systematisches Arbeiten inklusive kontrolliertes Wiederverwenden von Modulen möglich.
Wenn der Leser und die Leserin den grundsätzlichen Aspekt ignoriert, mit oder ohne System zu arbeiten, dann lassen sich in dem Sammelband interessante Anregungen und Gedankengänge finden. Insbesondere wer ein Redaktionssystem einführen will oder mit einem System arbeitet, findet im Buch viele Anregungen. Einige lassen sich auf die Welt ohne System übertragen.

Einleitender Beitrag von Professor Ziegler
In seinem Überblicksartikel diskutiert Herr Ziegler verschiedene Aspekte des systematischen Arbeitens, die sich auch auf die Welt ohne Redaktionssystem übertragen lassen. Die „Bedeutung eines Redaktionssystems (liegt) auf zwei Ebenen: Content-Kontrolle und Prozess-Kontrolle“ (S.11). Content meint hier den redaktionellen Inhalt. Zu Recht betont Ziegler, dass neben einem Informationsmodell auch die Festlegung von Formulierungsmuster für die Informationsstrukturen notwendig ist. Notwendig um den Inhalt zu standardisieren und damit eine konsistente Dokumentation zu erzeugen. Interessant fand ich, Zieglers Herausarbeitung des didaktischen Aspekts eines Informationsmodelles. „Sowohl Inhaltsersteller als auch Inhaltsnutzer werden durch die wiederkehrenden Strukturen geführt und finden sich im Gewohnten leichter zurecht“ (S.13).
In seinem Artikel geht Herr Ziegler auch kurz auf das Vorgehensmodell zur CMS-Einführung ein, wie es in den CMS-Studien der tekom beschrieben wurde. In diesem Zusammenhang erläutert er auch mögliche Stolpersteine bei der Systemeinführung. Seinen Beitrag schließt er mit einer Zusammenfassung der Grundsätze einschließlich der Konsequenzen des Contentmanagements.

Beitrag aus Beratersicht
Wie Wolfgang Ziegler thematisiert auch Karsten Schrempp mögliche Schwierigkeiten bei einer Systemeinführung. Dabei betont er die Notwendigkeit, vor dem Start des Projektes Ziele zu bestimmen und den Ist-Zustand zu beschreiben. Mir hat gefallen, dass er die Bedeutung der Konzeptionsphase bei einer Systemeinführung beschreibt. Ebenso lesenswert und wichtig sind seine Gedanken bezüglich Aufspaltung von Dokumenten in Modulen. Seine Ausführungen lassen sich gut auch auf die Einführung z. B. des modularen Arbeitens ohne Redaktionssystems übertragen.

Nutzer kommen zu Wort
In seinem Beitrag „Content-Management-Anwendungen aus langjähriger Nutzersicht I“ arbeitet Ralf Robers wichtige Erkenntnisse für das systematische Arbeiten heraus. Diese fasst er in Leitsätze zusammen. Auch zwischen den Erkenntnissätzen ist der Beitrag sehr lesenswert. Der Autor betont, dass es Zeit bedarf, Redakteure an die geänderte Arbeitsweise heranzuführen. Der Wechsel von der Dokumentenorientierung zur Topic-orientierten Sichtweise sollte trainiert werden. „Technische Redakteure alter Schule werden bei Einführung eines CMS mit einer massiven Veränderung ihrer Arbeitsweise konfrontiert. Dies sollte angemessen berücksichtigt werden“ (S. 54). Aus meiner Sicht ist dies ein wichtiger und häufig vernachlässigter Aspekt.
Auch der zweite Beitrag aus Nutzersicht geht darauf ein, dass der Wechsel des Arbeitsstils für die Redaktion ein Lernprozess darstellt. Für Stephan Schneider verschieben sich mit der CMS-Einführung die Schwerpunkte der redaktionellen Arbeit. Die Struktur und die Qualität der Inhalte rücken stärker in den Mittelpunkt. Aus seiner Sicht wird die „Arbeit der Technischen Redakteure hochwertiger und anspruchsvoller. Kommunikationsfähigkeit, Methodenkompetenz und deutlich mehr Fachkompetenz sind gefordert“ (S. 65). Interessant finde ich seine Erfahrung, dass durch die Einführung des Redaktionssystems der Stellenwert der Redaktion im Unternehmen gestiegen ist. Der Redaktion wurde mehr zugetraut.

Auf einem Auge blind?
Laut der tekom setzen rund 40 % der Redaktionen ein CMS ein (vgl. Ergebnisse der
tekom-Frühjahrsumfrage, Branchenkennzahlen für die Technische Dokumentation 2012). Dies heißt, die Mehrheit der technischen Redakteure und Redakteurinnen arbeiten ohne System. Diese Realität kommt in dem Sammelband leider nicht vor.
Abgesehen von dieser Einschränkung ist Jörg Hennig und Marita Tjarks-Sobhani wieder ein lesenswertes Buch gelungen.

J. Hennig, M. Tjarks-Sobhani (Hrsg), Content Management und Technische Kommunikation, Schriften zur Technischen Kommunikation, Band 18, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-944449-34-0

PS: Systematisches Arbeiten ist auch ohne Redaktionssystem möglich. Gerne berate ich Sie zu diesem Thema. Ich freue mich auf Ihren Anruf 0151 16512182 oder Ihre Nachricht ed.sreog-attirb@ofni.

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