Gastbeitrag: Einige Aspekte zu technische Normen

Ich freue mich, mit dem Beitrag von Marcel Schator einen weiteren Gastbeitrag begrüßen zu dürfen. In seinem Beitrag betont er, dass es zwar keine gesetzliche Verpflichtung zur Anwendung technischer Normen gibt, es aber ratsam ist technische Normen anzuwenden. Ich bin Herrn Schator dankbar, dass er auch auf den Zusammenhang zwischen Normen und dem Stand von Wissenschaft und Technik eingeht.

Marcel Schator

Rechtsanwalt Marcel Schator

Rechtsanwalt Marcel Schator hat sich auf das Produktsicherheits- und Produkthaftungsrecht sowie den gewerblichen Rechtsschutz spezialisiert. Bevor er sich im Jahr 2011 als Rechtsanwalt selbständig machte, war er für international beratende Wirtschaftskanzleien tätig und zuletzt in leitender Position bei einem der weltweit größten technischen Produktprüfungsunternehmen beschäftigt. Der Sitz der Kanzlei SCHATOR ist in Obertshausen, nahe Frankfurt am Main.

Anwendung technischer Normen zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten!?

Für Hersteller stellt sich regelmäßig wiederkehrend die Frage, inwieweit sie bei der Konstruktion und dem Bau der von ihnen entwickelten Produkte die Anforderungen aus technischen Normen (z.B. EN, DIN, VDE) beachten und einhalten müssen. Aus rechtlicher Sicht ist diese Frage vordergründig schnell zu beantworten. Eine rechtliche Verpflichtung zur Anwendung technischer Normen besteht nur in wenigen Sonderfällen und zwar ausschließlich dann, wenn dies gesetzlich ausdrücklich vorgeschrieben wird (z.B. § 35h Abs. 1 StVZO mit Verweis auf DIN 13164:1998). Im Übrigen besteht keine Anwendungspflicht, was sich bereits dadurch erklärt, dass technische Normen nicht vom Gesetzgeber, sondern in aller Regel von rein privatrechtlich organisierten Institutionen verabschiedet werden (z.B. DIN Deutsches Institut für Normung e.V.), die ohne Gesetzgebungsauftrag und zudem ohne jedwede demokratische Legitimation tätig werden.
Es wäre jedoch zu vorschnell, technischen Normen aufgrund ihrer fehlenden Gesetzeswirkung sogleich jegliche rechtliche Bedeutung abzusprechen. Tatsächlich kann die Anwendung technischer Normen für den Hersteller sogar von ganz erheblicher Relevanz sein, wenn auch die rechtlichen Wirkungen nur mittelbar fühlbar werden. Folgende Beispiele machen dies besonders greifbar.

Anwendung technischer Normen zur Erfüllung des Standes der Technik
Schon aufgrund der den Hersteller treffenden allgemeinen Verkehrssicherungspflicht ist dieser verpflichtet, bei der Konstruktion und dem Bau seiner Produkte das Sicherheitsmaß anzulegen, das zum gegebenen Zeitpunkt erreichbar ist. In Bezug auf die Haftung des Herstellers für Schäden aufgrund von Produktfehlern heißt es in § 1 Abs. 2 Nr. 5 Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) im Umkehrschluss entsprechend, dass die Haftung des Herstellers dann ausgeschlossen ist, wenn der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller das Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte. Den Stand von Wissenschaft und Technik bilden diejenigen Erkenntnisse, die nach dem letzten, gesicherten Forschungsstand in Technik bzw. Naturwissenschaften die rechtzeitige Wahrnehmung und Vermeidung einer Produktgefahr ermöglichen. Nun geben zwar technische Normen nicht vollends den Stand von Wissenschaft und Technik wieder, allerdings enthalten sie als sog. anerkannte Regeln der Technik zahlreiche technische Lehren, die nicht selten dem aktuellen Stand der Technik entsprechen oder sich diesem zumindest annähern.

Vermutungswirkung
Vorgaben an die Gestaltung von Produkten werden dem Hersteller zudem durch zahlreiche öffentlich-rechtliche Bestimmungen gemacht. Zuvorderst zu nennen ist insoweit § 3 Produktsicherheitsgesetz (ProdSG), der – teils mit Verweis auf andere Regelungen – umfassende rechtliche Verpflichtungen zur Produktgestaltung enthält. Zwar schreibt auch das ProdSG nicht die Anwendung technischer Normen verpflichtend vor, jedoch „belohnt“ der Gesetzgeber faktisch die Hersteller, die ihre Produkte in Einklang mit bestimmten technischen Normen herstellen. So wird beispielsweise gemäß § 4 Abs. 2 ProdSG vermutet, dass Produkte den Anforderungen gemäß § 3 Abs. 1 bzw. 2 ProdSG genügen, soweit sie nach sog. harmonisierten Normen (zum Begriff siehe § 2 Nr. 13 ProdSG) hergestellt wurden. Betreffende Hersteller können sich auf diese Weise ersparen, den Überwachungsbehörden die Sicherheit ihres Produkts auf andere, zumeist sehr aufwändige Weise nachzuweisen.

Fazit
Zusammenfassend damit ist festzustellen, dass wenn auch in den meisten Fällen keine unmittelbare gesetzliche Verpflichtung zur Anwendung technischer Normen besteht, ihre Anwendung doch zahlreiche Vorteile in Bezug auf die Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen bietet. Allerdings sollte die Anwendung technischer Normen stets mit Bedacht und immer auch mit einem kritischen Blick erfolgen. Dies nicht nur, weil die sachliche Regelungsreichweite von Normen bisweilen sehr begrenzt ist und nicht zwangsläufig alle für ein Produkt relevanten Aspekte betrifft, sondern vor allem in Anbetracht des Umstandes, dass auch technische Normen hinter der aktuellen technischen Entwicklung hinterher hinken oder gar Fehler enthalten können.

Schreibe einen Kommentar